Zeugenbewusstsein

17.06.2024

Zeugenbewusstsein ist eine innere Haltung. Sie ermöglicht es uns, bei einem Prozess oder einem Geschehen (das kann ein Gespräch sein, eine Situation, das Lesen oder Schauen von Nachrichten… aber auch ein innerer Prozess in uns selbst) den Prozess bzw. das Geschehen fühlend zu erleben im Bewusstsein darüber, was zum Prozess / meinem Gegenüber gehört – und was zu mir.

Dinge, mit denen wir im Außen oder auch in uns selbst konfrontiert sind, lösen etwas in uns aus. Bestenfalls bemerken wir das und können das benennen. So gelingt es uns, „darauf“ zu schauen.

Es kann allerdings auch ebenso sein, dass wir von den Gefühlen, die in uns unmittelbar ausgelöst werden, überwältigt oder überfordert werden. Auch hier kann es uns gelingen, das zumindest zu bemerken und zu kommunizieren: Dann können wir keine Rückmeldung geben, die sich direkt auf das Gehörte / Gesehene, auf das Gegenüber und den Raum zwischen mir und diesem Gegenüber bezieht, sondern können „nur“ rückmelden, wie es uns damit gerade geht, was es vielleicht in uns ausgelöst und getriggert hat – immerhin.

Schlimmstenfalls können wir auch das nicht mehr benennen, sind überwältigt und verstrickt. Dann werden wir reaktiv, ziehen uns aus dem Beziehungsraum zurück, werden wütend und laut oder verstummen, fühlen uns ohnmächtig oder gelähmt etc. Beim Lesen von Nachrichten beispielsweise werden wir vielleicht ärgerlich. Oder sie überwältigen uns so sehr, dass wir uns – um das „auszuhalten“ – von unseren Gefühlen abschneiden. Wir werden taub, spalten etwas ab, es geschieht Dissoziation. Oder es geht in einem Gespräch dann plötzlich vielleicht um „Selbstverteidigung“ statt um Kontakt und Verbindung.

Wir wünschen uns, in dieser Haltung der Zeugenschaft zu sein: Sie lässt uns den Raum spüren für unser Gegenüber und für uns selbst – und das Dazwischen. So entsteht echte Verbindung. Trotzdem wird es auch nach viel Übung, Heilung und Entwicklung so sein, dass wir immer wieder an unsere Grenzen kommen. Und dann ist es gut, diese Grenzen zu bemerken, vielleicht sogar benennen zu können. Das hilft uns – und unserem Gegenüber – den feinen Raum in uns und zwischen uns zu schützen und zu erhalten; unsere eigene Grenzlinie zu erforschen, uns ihr bewusst zu werden. Zu spüren: ah – jetzt ist mein Gefäß voll, meine Kapazität für den Moment erschöpft. Auf diese Weise können wir unseren Raum und unsere Resonanzfähigkeit nach und nach erweitern.

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